Die rechtliche Situation von Ortskirchengemeindenim Kirchenkreis Wittstock-Ruppin und gemäß dem geplanten Gesamtkirchengemeindegesetz demnächst in der EKBO Die Kirchenleitung hatte 2007 eine Strukturanpassungs- und Erprobungsverordnung für den Kirchenkreis Wittstock-Ruppin erlassen. Diese sah vor, dass sich die Kirchengemeinden des Kirchenkreises als Gesamtkirchengemeinden gliedern und dass der Pfarrdienst im ganzen Kirchenkreis in Grundversorger und Spezialisten aufgeteilt wird, deren Einsatz nach bloßer Anhörung der Kreiskirchenrat bestimmt. Die Verordnung konnte aus Rechtsgründen nicht die Fusion der bisherigen Kirchengemeinden vorsehen, sondern musste vom Konsistorium und – bei fehlendem Einverständnis – von der Kirchenleitung – wie sonst auch – beschlossen werden, d.h. also außerhalb einer bloßen Erprobungsstruktur. Dabei wurde z.B. die Kirchengemeinde Temnitz als neue Großkirchengemeinde gebildet. Die Gliederung als Gesamtkirchengemeinde ergab sich dann erst aus der Verordnung, deren Erlass von vornherein beabsichtigt war. Die Ortskirchenräte (wie der GKR Manker-Temnitztal) wurden im Herbst 2007 gewählt. Die Amtszeit beträgt sechs Jahre. Anfang 2008 wählten die Ortskirchenräte die Gesamtgemeindevertretung, die dann den Gesamtgemeindekirchenrat wählte.Nun stellte sich aufgrund der Klagen betroffener Gemeinden heraus, dass die Strukturanpassungs- und Erprobungsverordnung der Kirchenleitung insoweit nichtig war, wie sie gemeindliche Strukturen regelte, da der Kirchenleitung hierfür eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage fehlte. Damit brachen alle Regelungen über die Gliederung der Kirchengemeinden in Gesamtkirchengemeinden weg. Gleichwohl blieben die Gemeindefusionen, soweit nicht geklagt worden war, bestehen, da die entsprechenden Fusionsbeschlüsse vom Konsistorium nicht angefochten worden waren und bestandskräftig wurden (unbeschadet dessen, dass sie rechtswidrig waren). Es gab nun also eigentlich Großgemeinden ohne die Struktur von Gesamtkirchengemeinden, so z.B. die Kirchengemeinde Temnitz. Da indes niemand dieses Ergebnis wollte, behielt man die Struktur von Gesamtkirchengemeinden – auch ohne Rechtsgrundlage – einfach bei. Das Konsistorium und Bischof Huber beabsichtigten zunächst, durch ein Verfassungsgesetz die ursprünglich gewollten Zustände mit Hilfe der Landessynode durchzusetzen und auch die Gemeinden, die erfolgreich geklagt hatten, in Gesamtkirchengemeinden zu bringen. In der Kirchenleitungssitzung von August 2008 fand der Antrag des Konsistoriums jedoch keine Mehrheit. Daher musste man auf die Gemeinden zugehen, so dass im Frühjahr 2009 ein Kompromiss im Kirchenkreis gefunden werden konnte, der vorsah, dass die Gemeinden, die geklagt hatten, selbständig bleiben und dass Kirchenkreis und Großgemeinden Satzungen erlassen, die die Gliederung der Großgemeinden als Gesamtkirchengemeinden vorsehen. Hinsichtlich des Mitarbeitereinsatzes wurde vorgesehen, dass für die Änderung ihres Einsatzortes deren Zustimmung und die Zustimmung der betroffenen Gemeinde erforderlich ist (womit das so genannte Kernstück der Kirchenkreisreform wegfiel, was dann Pfr. Scheidacker, der das ermöglicht hatte, auf die Füße fiel). Zur rechtlichen Absicherung des Kompromisses erließ die Landessynode 2009 ein Verfassungsgesetz (Reformabsicherungsgesetz für den Kirchenkreis Wittstock-Ruppin). Dieses ist nur ganz kurz und bestätigt im Grunde nur den im Kirchenkreis gefundenen Kompromiss.Die Beantwortung der Frage nach der rechtlichen Existenz der Ortskirchengemeinden wie Manker-Temnitztal hängt nun davon ab, ob für ihre Existenz erst die Satzung der (Groß-)Kirchengemeinde Temnitz wirksam werden muss oder nicht. Bisher ist diese Satzung, obwohl sie schon lange existiert, noch nicht der Kreissynode zur Genehmigung vorgelegt worden, so dass sie rechtlich noch nicht wirksam werden konnte. Gleiches trifft auch auf alle anderen Großkirchengemeinden zu. Gleichwohl werden die Ortskirchengemeinden (bis auf jetzt Manker-Temnitztal) aber in der Praxis als existent behandelt.Der Standpunkt von Manker-Temnitztal ist nun der, dass der Kompromiss im Kirchenkreis mit dem Reformabsicherungsgesetz auch die bestehenden Ortskirchenräte in ihrer Existenz absichern und nicht – auch nicht nur für eine Übergangszeit – abschaffen wollte. Der status quo sei also bis zum Inkrafttreten der Gemeindesatzungen abgesichert. Dies könne daraus abgeleitet werden, dass das Reformabsicherungesetz die bestehenden Gesamtgemeindekirchenräte mit ihren Aufgabenkreisen bestätigt habe. Diese ihre Aufgabenkreise setzten aber die Existenz der Ortskirchenräte voraus, denn deren Aufgaben würden nicht zum Aufgabenkreis der Gesamtgemeindekirchenräte gehören und könnten nicht wahrgenommen werden, gäbe es sie nicht nach wie vor. Gegenteiliges habe auch niemand gewollt und könne dem Reformabsicherungsgesetz nicht entnommen werden. Hierfür spricht auch die Praxis.Das Konsistorium ist in Bezug und nur in Bezug auf die Gemeinde Manker-Temnitztal der Auffassung, dass sie nicht existiert, solange die Gemeindesatzung nicht wirksam geworden sei. Der Kompromiss im Kirchenkreis und das Reformabsicherungsgesetz hätten die Ortskirchenräte nicht bestätigt. Das kirchliche Verwaltungsgericht hat sich dieser Auffassung nach dem Wortlaut des Reformabsicherungesetzes angeschlossen. Manker-Temnitztal wird dies aber nicht hinnehmen und Revision an den Kirchengerichtshof der EKD einlegen. Die Kirchenkreisreform ist bis August 2013 befristet. Das heißt, dass dann das Reformabsicherungesetz außer Kraft tritt und die Gliederung in Gesamtkirchengemeinden und die Regelungen zum Pfarrdienst wegfallen. Aufgrund der Gemeindefusionen würden die Gesamtkirchengemeinden als Großgemeinden ohne örtliche Gliederung aber fortbestehen, z.B. die Kirchengemeinde Temnitz. Um dies zu verhindern und um das, was in Wittstock-Ruppin erprobt wurde, überall möglich zu machen, soll die Grundordnung geändert und ein Gesamtkirchengemeindegesetz eingeführt werden. Eine Gemeindesatzung kann dann auf der Grundlage des letztgenannten Gesetzes erlassen werden. Manker-Temnitztal hätte jedoch keinen Anspruch darauf, dass eine Gemeindesatzung erlassen wird und dass es selbst dort als Ortsgemeinde vorgesehen wird. Auch könnte es jederzeit wieder aufgehoben werden.Ortskirchenräte wie der GKR Manker-Temnitztal werden vom kirchlichen Verwaltungsgericht der EKBO als bloße Mitbestimmungsgremien angesehen, etwa wie eine Mitarbeitervertretung oder Ähnliches. Für die Vertretung nach außen sind sie nicht zuständig, sondern dies ist ausschließlich der Gesamtgemeindekirchenrat. Sie stellen auch nicht Kirchengemeinde im Sinne der Grundordnung dar, sondern Kirchengemeinde ist nach Ansicht des Gerichts lediglich die Gesamtkirchengemeinde. Man kann daher auch nicht füglich von Ortskirchengemeinden sprechen, sondern nur von Ortskirchenräten, die nicht Ortskirchengemeinden vorstehen, sondern im Grunde nur Ausschüsse des Gesamtgemeindekirchenrates darstellen. Die Bezeichnung Gesamtkirchengemeinde ist danach eine bloße Farce und hat nur Sinn, wenn der falsche Eindruck, den sie erweckt, auch gewollt ist, um mit ihm zum Ziel freiwilliger Gemeindefusionen zu kommen.
Berlin, den 25. September 2012
Georg Hoffmann